Mirko Dölle

– Journalist –

vp1_2
Spaß mit der Bahn
Die Bahn kommt -- wann auch immer

Inzwischen habe ich das Pendeln mit der Bahn aufgegeben und mich im Hannover Raum eingemietet. Das bedeutet für mich jeden Tag fast vier Stunden mehr Freizeit, denn zur Arbeit brauche ich nur noch 20 Minuten. Trotzdem möchte ich niemandem meine Bahn-Erlebnisse vorenthalten.

Freitag, 19. Januar 2007: Der Tag danach
Heute Morgen steht ein Güterzug im Eschweger Bahnhof. An Wegkommen ist nicht zu denken, also lege ich einen Tag Heimarbeit ein. Damit entgehe ich dem allgemeinen Verkehrs-Chaos auf der Schiene und auf der Straße -- denn heute hatten sehr viele die Idee, lieber nicht Bahn zu fahren sondern aufs Auto umzusteigen. Die Bahn sollte noch bis Anfang nächster Woche brauchen, bis die Züge wieder einigermaßen pünktlich fuhren.

Donnerstag, 18. Januar 2007: Kyrill kommt
Heute ist Kyrill-Tag. Der Mega-Sturm ist für den Abend angekündigt, am Morgen merkt man aber noch nichts von ihm, trotzdem fahre ich lieber bis Neu Eichenberg mit dem Auto, wer weiß, welche Verspätung die Bahn wegen dem Sturm einsammelt. Interessanterweise ist die Bahn an diesem Morgen mal pünktlich, ich bin also um zehn an der Arbeit. Zur Mittagspause machen sich schon die ersten auf den Heimweg: Kyrill kommt, diverse Schulen schließen in Hannover, Kinder müssen abgeholt werden und allgemein bereitet man sich auf den Ausnahmezustand vor. Auch die Bahn macht bei der Aktion mit: Obwohl noch kein Lufthauch zu spüren ist, stehen ab 17 Uhr sämtliche Räder in Hannover still: Kein Zug geht mehr raus, ankommende Züge stellen sich an die Bahnsteige. Bahn-Chef Mehdorn hat zum ersten Mal in der Geschichte der Bahn einen totalen Stopp befohlen.

Als ich gegen 18 Uhr wie üblich Richtung Hauptbahnhof aufbreche, fahren schon keine Regionalzüge und S-Bahnen mehr. Also nehme ich die völlig überfüllte Straßenbahn. Im Hannover Hauptbahnhof ist die Hölle los: Schätzungsweise 10.000 Reisende sind hier gestrandet, an allen Bahnsteigen stehen Züge oder einzelne Waggons, fahren tut nichts und niemand mehr. Die Bahn ist völlig überfordert und hat keine Ahnung, wann es weiter geht. Manche sagen 21 Uhr, andere sagen vor Mitternacht ginge gar nichts mehr, aber so genau wüsste man das auch nicht.

Ich fahre also mit der Straßenbahn wieder zur Redaktion und lasse mich mit dem Auto abholen. Auf der Rückfahrt sieht man dann an jedem Bahnhof mindestens einen Personen- oder Güterzug stehen, es ist wirklich alles dicht.

Freitag, 5. Januar 2007: Verkupplung
Cantus scheint seine Probleme mit der Bahntechnik immer noch nicht im Griff zu haben. Obwohl in Deutschland tagtäglich hunderte Züge zusammen und wieder auseinander gekuppelt werden, kriegt es die liebe Cantus Verkehrsgesellschaft einfach nicht gebacken. So standen wir gut fünf Minuten in Eichenberg herum, bis die Durchsage kam, man müsse den hinteren Zugteil stehen lassen, weshalb alle Fahrgäste nach vorne umsteigen müssten. Logischerweise erreichten wir Göttingen so nicht mehr rechtzeitig -- das machte aber nichts, weil auch der ICE 8:57 nach Hannover hatte über zehn Minuten Verspätung -- genau wie der Zug nach Berlin. Da ich am Hannover Bahnhof nur genau 10 Minuten zum Umsteigen in den Regional Express Richtung Karl-Wiechert-Alle habe, sagte ich gleich dem Schaffner bescheid, dass er sich bitte um meinen Anschlusszug kümmern möge.

Selbstverständlich klappte das natürlich nicht -- wir kamen erst um 9:42 in Hannover an, und als ich die Rolltreppe zum Gleis 14 hochspurten wollte, fuhr mein Zug gerade ab. Man empfahl mir, doch ein Ticket für die U-Bahn zu lösen und so ans Ziel zu kommen -- von der Bahn bekomme ich das nicht. Oder aber ich müsse bis 10:04 warten und die S3 nehmen. Letzteres tat ich und war somit erst um 10:20 an der Arbeit.

Am Abend wurde es noch lustiger: Der ICE 17:26 von Hannover nach München fährt normalerweise von Gleis 4 ab -- nur diesmal nicht, weil dort stand noch ein Inter City. Die Bahn wurde nicht müde, uns darauf aufmerksam zu machen, dass der ICE unmittelbar nach dem Metronom 17:30 nach Göttingen auf Gleis 3 einfahren würde und sich deshalb um 5 Minuten verspäte. Logisch, man kann schließlich schlech zwei so lange Züge ans gleiche Gleis beordern. Also sollten sich die Fahrgäste doch bitte auf Gleis 3 und nicht auf Gleis 4 versammeln.

Offenbar fuhr der Inter City jedoch früher weiter als gedacht, oder der ICE verspätete sich nicht so stark wie vermutet -- kaum dass der Metronom auf Gleis 3 abgefahren war, kam nun die Durchsage, der ICE nach München würde nun doch auf Gleis 4 einfahren und nicht auf Gleis 3. Also begann das große Rennen von neuem, denn der ICE war bereits im Anrollen. Die Verspätung von 9 Minuten holte der Zug bis Göttingen übrigens nicht auf -- das war aber auch nicht wichtig, denn der Cantus 18:14 Richtung Eschwege verspätete sich schon bei der Abfahrt um 15 Minuten -- erneut wegen Kupplungsproblemen. Die nette Bahn-Dame sagte uns über Lautsprecher, dass der Zug diesmal geteilt fahren würde, man also nicht mehr in Eichenberg umsteigen könne. Da stand der Kasseler Teil bereits auf Gleis 5, vom Bebraer Teil hingegen war keine Spur zu sehen. Der fuhr nämlich erst einmal am Gleis 4 vorbei, das sich auf der anderen Seite des gleichen Bahnsteigs befindet. Anstatt einfach dort anzuhalten und uns einzusammeln, fuhr der Cantus zunächst Richtung Eichenberg, stoppte nach gut 500 Metern, verweilte dort fünf Minuten und fuhr zum Gleis 5 zurück. Das ganze Manöver dauerte bis halb sieben -- das ist normalerweise die Ankunftzeit in Eichenberg. In Eschwege waren wir dann erst um sieben.

Donnerstag, 21. Dezember 2006: Heimfahrt mit Chauffeur
Die Pünktlichkeitsoffensive der Bahn ist ja schon lange aus der Mode gekommen, vorbei die Zeiten, in denen zumindes über 90 Prozent der Fernverkehrszüge pünktlich oder nur fünf Minuten zu spät an ihrem Ziel ankamen. Die Bahn hält offenbar auch nichts davon, bereits bekannte Verspätungen ihren Kunden vorab mitzuteilen. So verspätete sich in der Vorweihnachtswoche jeder zweite ICE aus München um 20 bis 40 Minuten wegen Bauarbeiten an der Strecke zwischen Nürnberg und Würzburg. Das erfuhr ich jedoch erst, als ich wissen wollte, warum der ICE 9:57 Uhr ab Göttingen 45 Minuten später kommen sollte.

Zum Glück gab es einen halbwegs brauchbaren Ersatz: Mit dem ICE um 10:03 Uhr Richtung Berlin, in Hildesheim umsteigen in den Regional Express, der dann um 11:20 Uhr in der Karl-Wiechert-Alle in Hannover ankommt. Tatsächlich war der Reginal Express zwar erst 5 Minuten später da, aber immerhin war ich um 11:30 an der Arbeit statt um 12 Uhr.

Auch auf dem Heimweg, ich nahm den ICE um 19:26 ab Hannover Hauptbahnhof, ging alles andere als Glatt. Der Zug fuhr bereits mit 13 Minuten Verspätung los -- würde also erst um 20:14 in Göttingen ankommen. Genau zu der Zeit fährt jedoch der allerletzte Cantus-Regionalzug Richtung Eschwege. Also habe ich mich auf den Weg gemacht, den Zugführer zu finden, damit der Cantus ein paar Minuten auf uns wartet. Das sei kein Problem, er kümmere sich darum -- und rief auch gleich im Bahnhof an. Auf seinem Nokia Communicator erschien dann auch wenige Minuten später die Bestätigung, dass der Cantus in Richtung Eschwege, Abfahrt 20:19 Uhr, auf uns warten würde. Das sagte der Zugführer auch mehrfach über Lautsprecher durch.

Nun, der Cantus wartete auch auf uns. Und zwar genau so lange, bis unser ICE um 20:16 in den Göttinger Bahnhof einfuhr. Wir sahen den Zug gerade noch wegfahren, als wir ausstiegen. So kam es, dass sich ein Dutzend Leute an dem glücklicherweise noch besetzten Service-Schalter lautstark beschwerten. Es bildeten sich zwei Gruppen: Die eine wolle weiter nach Neu Eichenberg, Witzenhausen und Kassel, die andere nach Eschwege West und Bad Sooden-Allendorf. Die Richtung Neu Eichenberg und Kassel wurden auf den nächsten Zug um 21:14 vertröstet. Das versuchte der Mitarbeiter auch mit der Eschwege-Gruppe -- bis ich ihm sagte, dass das der allerletzte Zug für heute gewesen sei und nun wohl ein Taxi fällig wäre. Nachdem der Bahner erst alle Tickets kontrolliert und entwertet hatte, bestellte er dann ein Sammeltaxi, das uns nach Bad Sooden-Allendorf und Eschwege West brachte. Die Neu-Eichenberger durften übrigens nicht mit fahren, die standen eine Stunde in der Kälte.

Montag, 4. Dezember 2006: Kein Anschluss an diesem Bahnhof
Heute wollte ich mal etwas früher an die Arbeit, also habe ich mich schon um 7 Uhr aufgerafft und bin nach Eschwege West gefahren. Dort warteten schon über zwei Dutzend Leidensgenossen auf den Regional-Express aus Bebra. Um 7:10 Uhr ward weit und breit keine Bahn zu sehen, also war schon mal klar, pünktlich würden wir in Göttingen nicht ankommen. Um 7:15 erwachte dann endlich die Lautsprecheranlage: Aufgrund eines Stellwerksschadens würde der Zug komplett ausfallen und der nächste voraussichtlich in einer Stunde fahren.

Trau schau wem -- aber nicht der Bahn! Wenn der Stellwerksschaden um 8 Uhr immer noch nicht behoben wäre, würde mit Sicherheit auch dieser Zug ausfallen. Also bin ich schnurstracks zum Auto und ab nach Neu Eichenberg gefahren. Die Überlegung war einfach: Der Zug von Bad Hersfeld oder Bebra nach Göttingen wird in Neu Eichenberg normalerweise mit einem zweiten Regional Express aus Kassel zusammengekuppelt, und dieser Zugteil aus Kassel dürfte von dem Stellwerksschaden nunmal nicht betroffen sein. Leider gilt diese Aufteilung nicht für den Regional-Express 7:10 Uhr -- als ich in Neu Eichenberg ankam und nach dem Zug aus Kassel fragte, war der längst über alle Berge, denn der fährt fast 30 Minuten früher an Neu Eichenberg vorbei. Dafür traf ich auf einen Pulk wartender Leidensgenossen, die sich schon mal auf eine Stunde oder länger Beine in den Bauch stehen gefasst machten.

Zwei von ihnen sprachen mich an, ob ich mit dem Auto da sei und ich sie mit nach Göttingen nehmen könnte -- klar, warum nicht, in meinem Elch ist genug Platz. Also sind wir im Schweinsgalopp in die A-Klasse gestiegen und über die A38 und A7 nach Göttingen auf den westlichen Parkplatz, wo das Tagesticket satte 7 Euro kostet. Was mich am meisten wurmt: Dieser Parkplatz gehört der Bahn -- ich werfe dem Verein also noch einmal 7 Euro dafür in den Rachen, dass sie mich zuvorkommend im Stich gelassen haben. Dabei kann ich weder die Spritkosten noch die Parkgebühren geschweige denn eine Minderung meiner Monatskarte geltend machen, die Bahn lehnt jegliche Schadensersatzansprüche von vornherein ab! Es wird Zeit, dass sich das ändert und wie im Flugverkehr eine Schadensersatzpflicht für die Bahn eingeführt wird! Immerhin, meine Mitfahrer gaben mir je 5 Euro für meine Dienste, die Parkgebühren bleiben also nicht an mir hängen. Die Spritkosten allerdings schon, und das allein sind gut 10 Euro...

Freitag, 1. Dezember 2006: Jeder Monat hat 30 Tage
Zu meinem Glück am ersten Arbeitstag fehlte mir noch ein Parkticket für den Parkplatz an der B27 bei Eschwege West. Die Bahn bietet hier mehrere Varianten: Ein Tagesticket für 1,50 Euro, ein Wochenticket für 4 Euro und ein Monatsticket für 10 Euro. Natürlich frisst der Automat keinerlei Scheine, man muss also 10 Euro in Münzen mitbringen. Nun denn, ich war natürlich gerüstet, warf die 10 Euro ein und wartete auf den Ausdruck.

Interessant ist, dass der Automat eine sehr seltsame Auffassung davon hat, was denn ein Monat ist -- denn das Ticket läuft am 31. Dezember um kurz vor 8 Uhr ab. Das Monatsticket gilt also keineswegs einen ganzen Monat, weil dann würde es erst am 1.1.2007 ablaufen, sondern gerade einmal 30 Tage.

Auch hier werde ich's drauf ankommen lassen: Ich habe nachweislich für ein Monatsticket bezahlt, das lässt sich nicht nur am Kaufdatum, sondern auch am aufgedruckten Preis und der Ticket-Nummer feststellen. Ist doch nicht mein Problem, dass der Automat offenbar keine Ahnung davon hat, was ein Monat ist! Dabei wäre es so einfach zu programmieren -- man bräuchte nur einen Monat zum Kaufdatum hinzuzurechnen.

Die Pünktlichkeitsoffensive der Bahn bekam ich natürlich gleich zu spüren: Während unser Regional-Express nach Göttingen fast auf die Minute pünktlich war, hatten die ICEs mal wieder 10 Minuten Verspätung. 10 Minuten sind aber genau die Zeit, die ich für den anschließenden Wechsel vom ICE in den Regional-Express zur Karl-Wiechert-Allee habe. Mein Glück: Es gibt zwischen 20 vor 9 und 9 Uhr gleich zwei ICEs in Richtung Hannover. Also nahm ich nicht wie geplant den ICE 634, der um 8:56 fährt, sondern den verspäteten ICE 676, der normalerweise gerade weg ist, wenn mein Regional-Express in Göttingen ankommt.

Bei der Rückreise stand der ICE in Richtung Göttingen bereits abfahrbereit am Gleis 4, als ich im Hauptbahnhof ankam -- und war proppenvoll. Ich setzte mich zu einer 4-köpfigen Familie aus Schweden ins Abteil. Die hatten über hlx.com ein Rail&Fly-Ticket selbst ausgedruckt -- ein Verhau von bestimmt einem Dutzend A4-Seiten. Der Schaffner war bei der Kontrolle völlig überfordert, die richtigen Tickets aus dem Stapel Ausdrucke rauszuziehen und abzustempeln -- deshalb bot ich mich kurzerhand als "Zwischenablage" an, was der Schaffner dankbar annahm. Da aus irgend einem unerfindlichen Grund das Rückreise-Ticket über dem Hinreise-Ticket ausgedruckt wurde, knipste der Schaffner prompt sämtliche Rückreise-Tickets. Ich werde wohl nie erfahren, wie die Familie den Weg zurück nach Skandinavien findet, mit einem Haufen bereits entwerteter Rückreise-Tickets, während die Hinreise-Tickets nie gestempelt wurden.

Donnerstag, 31. November 2006: Hannover ist ganz Hannover, oder nicht?
Heute habe ich zum ersten mal eine Monatskarte bei der Bahn gekauft, da ich den Dezember über zwischen Eschwege und Hannover pendele. Also pilgerte ich eigens noch am Donnerstag Nachmittag zum Fahrkarten-Automaten in Eschwege West -- damit ich nicht etwa am nächsten Morgen, meinem ersten Arbeitstag in Hannover, eine böse Überraschung erlebe.

Die Bedienung des Automaten lief gewohnt schleppend, aber erfolgreich -- ich konnte ihn davon überzeugen, mir eine Monatskarte für die Strecke Eschwege West / Hannover Karl-Wiechert-Alle zu verkaufen. Der Automat bat mich noch einmal, meine Eingaben zu überprüfen, bevor ich ihm meine Kreditkarte verabreiche und damit die 278 Euro bezahle -- kein Problem, Eschwege West bis Hannover Karl-Wiechert-Alle, mit ICE zwischen Göttingen und Hannover, alles in Butter.

Nur irgend wie muss das Fahrziel zu lang gewesen sein, um es auf die Monatskarte zu drucken -- da steht nämlich nur Eschwege West bis Hannover. Ich bin sehr gespannt auf die erste Fahrkartenkontrolle im Regional-Express von Hannover Hauptbahnhof zur Karl-Wiechert-Alle, mal sehen, was der Schaffner da sagt. Der Preis ist immerhin der selbe, egal ob man als Fahrziel den Hauptbahnhof oder die Karl-Wiechert-Alle angibt -- und das habe ich schließlich auch angegeben. Meine Argumentation wird also sein: Was kann ich dafür, wenn euer Automat zu dumm ist, das Fahrziel komplett aufzudrucken? Wenn da Hannover steht, ist damit offenbar ganz Hannover gemeint -- schließlich steht da nichts von Hannover Hbf.

Seite drucken   Zum Seitenanfang
© Mirko Dölle Impressum/Datenschutz