Mirko Dölle

– Journalist –

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Das Ende unseres Rechtsstaats?
Wer etwas zu verbergen hat, tut Unrechtes, und im Zweifel gegen den Angeklagten

Hoffentlich geht der 18. April 2007 einmal nicht in die Geschichte ein als das Datum, an dem der Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland zum totalitären Überwachungsstaat wurde. Denn heute haben wir die Unschuldsvermutung abgeschafft.

Ich kann mich nicht daran erinnern, bei der Bundestagswahl 2005 für ein Ende unseres bisherigen Rechtsstaats gestimmt zu haben. Ganz sicher habe ich auch keinen Bundesinnenminister Schäuble gewählt, dessen Forderungen zur Abschaffung von Bürgerrechten und Ausbau der Staatsbefugnisse den Otto-Katalog von 2001 wie eine geringfügige Änderung der Hausordnung erscheinen lassen.

Folgendes Editorial habe ich für die c't 10/07 verfasst, es wurde jedoch leider nicht abgedruckt, weil ein Kollege schneller war und das Thema auf seine Weise aufgriff. Deshalb veröffentliche ich meinen Text nur hier:


Sie sind eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit!

Ja, ich meine Sie, auf der anderen Seite des Bildschirms. Nun tun Sie nicht so scheinheilig. Wir wissen doch längst, dass Sie schuldig sind, ein Bombenattentat auf den Deutschen Bundestag zu planen. Oder wollen Sie etwa bestreiten, dass Sie vor drei Wochen bei Google mit dem Suchbegriff "Arch Bomb Shadow" nach einer Bombenbastelanleitung gesucht haben?

Zum Glück verwendet Google für Suchanfragen HTTP-Get-Requests, sodass wir anhand der Google-URLs aus den gespeicherten Verbindungsdaten die Suchbegriffe mühelos ermitteln können. Das Suchergebnis landet leider nicht in den Vorratsdaten, aber das ist nicht weiter schlimm -- es reicht völlig, sich die besuchten URLs der nächsten halben Stunde oder Stunde aus der Datenbank Ihres Providers anzusehen.

Und genau da sind Sie uns wieder aufgefallen: Nachdem Sie, wahrscheinlich zur Ablenkung, zunächst ein paar Hersteller von Anti-Viren-Programmen abgeklappert haben, besuchten Sie ein obskures Chemiker-Forum, in dem in der Vergangenheit so manche Bastelanleitungen für Molotow-Cocktails und kleine Rohrbomben auftauchte.

Natürlich haben wir uns sofort gefragt, was Sie mit einer Bombe anfangen wollen. Wir wurden in den E-Mail-Headern aus den Verbindungsdaten von Mitte Januar fündig. Dort antworteten Sie auf eine E-Mail Ihres Kegelverein-Vorsitzenden, in der es dem Betreff nach zu urteilen um die Besichtigung des Reichstagsgebäudes ging. Eine Nachfrage beim Besucher-Service ergab, dass sich Ihr Kegelverein tatsächlich Ende März für den 17. Juni zu einer Reichstagsführung angemeldet hat -- nur wenige Tage, bevor Sie im Internet nach Bomben suchten.

Damit ist wohl klar, Sie benutzen die Führung nur als Vorwand, um auf die Besuchergalerie des Plenarsaals zu gelangen und dort Ihre Bombe zu zünden. Die Bundesrepublik Deutschland, ihre Abgeordneten und damit die gesamte Demokratie befinden sich in großer Gefahr!

Aber wir werden Sie daran hindern und Ihnen einen gebührenden Empfang mit längerem Aufenthalt auf Staatskosten ermöglichen. Und reden Sie sich nicht damit raus, Sie hätten im Internet nur nach Tipps gesucht, wie Sie den Virus ArchBomb.ARJ.ShadowBuilder wieder loswerden, den unser Trojaner auf Ihrem Rechner fand.

Ihre Unschuld müssen Sie uns erst einmal hieb- und stichfest beweisen. (Mirko Dölle)


[Um weiteren Nachfragen vorzugreifen: Sie dürfen den Text unter Angabe des Autorennamens gern weitergeben und/oder verlinken.]

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