Mirko Dölle

– Journalist –

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Die Wasserstoff-Lüge
Warum Autos mit Brennstoffzellen die Umwelt nicht entlasten

Seit Jahren wird von der Politik, den Automobilkonzernen und sogar Umweltverbänden das Wasserstoff-Auto als die Lösung unserer Abgasprobleme schlechthin propagiert -- schließlich kommt aus dem Auspuff so genannter No Emission Cars nur reiner Wasserdampf. Ein Blick auf die industrielle Wasserstoffgewinnung zeigt jedoch die Kehrseite der Medalie.

Wasserstoff als Treibstoff für Autos und LKW scheint die ideale Alternative zum heute gebräuchlichen Benzin und Diesel zu sein. Selbst Flugzeuge könnten in Zukunft schadstofffrei mit Wasserstoff um den Erdball fliegen, falls die zur Stromerzeugung nötige Brennstoffzelle, in der sich Wasserstoff und Sauerstoff zu reinem Wasser verbinden, leicht genug ist. Giftige Abgase wie Stickoxyde (NOx) oder Kohlenmonoxyd (CO) sowie das Treibhausgas Kohlendioxyd (CO2) entstehen bei der "kalten Verbrennung" in der Brennstoffzelle nicht. Insofern ist ein mit reinem Wasserstoff und Sauerstoff betriebenes Auto tatsächlich umweltfreundlich, während der Fahrt entweicht aus dem Auspuff lediglich Wasserdampf.

Problemfall Elektrolyse

Der Haken an der Sache ist die Herstellung und Verteilung des Treibstoffs, also des Wasserstoffs. Jedes Schulkind in der Mittelstufe kennt den Elektrolyse-Versuch [1] aus dem Chemie-Unterricht, bei dem zwei Elektroden in ein mit Wasser gefülltes U-Rohr getaucht und eine Spannung angelegt werden. An der Kathode (Minus-Pol) bildet sich dann Wasserstoff-Gas, während an der Anode (Plus-Pol) Sauerstoff aufsteigt -- ist das Wasser nicht chemisch rein, können zudem noch einige giftige Nebenprodukte aus der Elektrolyse enthaltener Salze entstehen.

Wie umweltfreundlich der per Elektrolyse gewonnene Wasserstoff letztlich ist, hängt vor allem von der Art und Weise ab, wie der zur Elektrolyse notwendige Strom gewonnen wird. Bei der Elektrolyse von Wasser liegt der Wirkungsgrad bei gerade einmal 70 Prozent [2], was den erzeugten Wasserstoff je nach Energiequelle sehr teuer macht. Billiger Atomstrom wäre perfekt geeignet, um billigen Wasserstoff per Elektrolyse herzustellen, dies ist jedoch (nach gängiger Meinung) umwelttechnisch nicht vertretbar -- für eine gute Umweltbilanz muss der Elektrolyse-Strom aus alternativen Erzeugungsverfahren wie Biogas, Wind oder Solartechnik stammen. Diese umweltfreundliche Stromerzeugung ist jedoch auch sehr teuer.

Ein weiteres Problem bei Wasserstoff ist der Transport zu den Tankstellen: Das Gas ist leicht entzündlich bis explosibel und besitzt ein sehr hohes Volumen (ca. 90 Gramm pro Kubikmeter) [3], es kann daher wirtschaftlich nur in flüssigem Zustand (ca. 70 Kilogramm pro Kubikmeter) bei einer Temperatur von -252 Grad Celsius ausgeliefert werden, was hohe Anforderungen an den Transportbehälter stellt und damit den Transport teuer macht.

Dampfreformierung als billige Alternative

Die Industrie hat für beide Problembereiche, der teuren Wasserstoff-Elektrolyse und dem Transport, deutlich wirtschaftlichere Verfahren zur Wasserstoffherstellung vor Ort gefunden: Die Dampfreformierung (Steam Reforming) von Kohlenwasserstoffen [4][5]. Damit wird heute praktisch der gesamte industriell genutzte Wasserstoff gewonnen.

Beim Steam Reforming wird Wasserdampf mit Erdgas, Leichtbenzin, Methan, Methanol [6] oder andern leicht flüchtigen Kohlenwasserstoffen vermischt und je nach Gemisch auf 250 bis 800 Grad Celsius erhitzt. Mit Hilfe einer wasserstoffdurchlässigen Membran, die zum Beispiel aus einer Palladium-Silber-Legierung besteht, wird der Wasserstoff aus dem Dampfgemisch abgeschieden, übrig bleiben je nach Ausgangsgemisch Kohlenmonoxyd und Kohlendioxyd sowie, bei Gasgemischen wie Erdgas, weitere Gasrückstände -- letztlich also giftige Gase und Treibhausgase.

Für Tankstellen ist die Dampfreformierung ideal: Da ohnehin Benzin, Autogas oder Erdgas angeboten werden, kann Wasserstoff aus den vorrätigen Treibstoffen mit geringem technischem Aufwand reformiert werden -- es bedarf weder großer, aufwändiger Tieftemperatur-Tanks für den Wasserstoff noch neuer Tankfahrzeuge, der Wasserstoff wird lediglich in einem kleinen Behälter zwischengelagert und je nach Abverkauf direkt aus Benzin oder Gas reformiert.

Es ist illusorisch zu glauben, dass die Ölkonzerne trotz der günstigen Dampfreformierung ein aufwändiges, flächendeckendes Netz aus Wasserstoff-Tankstellen aufbauen, die mit einer Flotte Tieftemperatur-Tankern und umweltfreundlich eletrolysiertem flüssigem Wasserstoff versorgt werden -- die Preise für den Kubikmeter Wasserstoff wären schlicht astronomisch.

Abfallprodukt Treibhausgase

Für die Umwelt bedeutet die Dampfreformierung von Wasserstoff, das zukünftig die Abgase und Treibhausgase nicht mehr aus den Auspuffen der Autos kommen, sondern aus den Schornsteinen der Tankstellen. Die Bilanz fällt ernüchternd aus: Anstatt Gas und Benzin direkt im Motor zu verbrennen, wird es aufwändig erhitzt und gleich danach stark gekühlt, was viel Energie kostet und damit weitere Treibhaus- und Abgase nach sich zieht.

Auch die Brennstoffzelle hat keinen optimalen Wirkungsgrad von 100 Prozent, sondern liegt bestenfalls bei 50 bis 60 Prozent [7], der Elektromotor im Auto verursacht weitere Verluste. Moderne Dieselmotoren hingegen haben einen Wirkungsgrad von bis zu 65 Prozent, Ottomotoren erreichen bestenfalls 35 bis 40 Prozent [8]. Zusammen mit dem schlechten Wirkungsgrad der Dampfreformierung ist ein Wasserstoffantrieb damit deutlich ineffizienter als ein moderner Verbrennungsmotor, es entstehen beim Wasserstoffantrieb also insgesamt mehr Treibhausgase als bei der direkten Verbrennung.

Der einzige umwelttechnisch sinnvolle Ausweg ist derzeit die Dampfreformierung von Biomasse und Biogasen direkt an den Tankstellen -- dabei wird maximal so viel Kohlendioxyd frei, wie beim Wachstum der Pflanzen aufgenommen wurde. Bis jedoch Gülle-LKW von Tankstelle zu Tankstelle fahren, dürften noch einige Jahrzehnte ins Land gehen; so lange sorgen die No Emission Cars mit Wasserstoffantrieb nur dafür, dass die Treibhaus- und Abgase lediglich an einer anderen Stelle und in größerer Menge entstehen. (Mirko Dölle)

[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Elektrolyse
[2] http://de.wikipedia.org/wiki/Elektrolyse#Elektrolyse_von_Wasser
[3] http://de.wikipedia.org/wiki/Wasserstoff
[4] http://de.wikipedia.org/wiki/Dampfreformierung
[5] http://de.wikipedia.org/wiki/Wasserstoff#Molekularer_Wasserstoff_2
[6] http://de.wikipedia.org/wiki/Methanol-Reformer
[7] http://de.wikipedia.org/wiki/Brennstoffzelle
[8] http://de.wikipedia.org/wiki/Wirkungsgrad


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